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Das Klima im Blick – der Luftverkehr arbeitet an konstruktiven Lösungen

Die Klimadebatte bestimmt nach wie vor die Schlagzeilen. Gesucht werden Wege aus der CO2-Falle. Politik, Wirtschaft und Medien sind getrieben von den „Fridays for Future“-Akti­visten. Im Fokus der Öffentlichkeit steht vor allem der Luftverkehr als angeblicher Klimakiller Nummer eins.

Weltweit macht der Luftverkehr nur zwei bis drei Prozent der Emissionen aus. Die Forderungen nach weniger Flugverkehr sind sogar zum Teil kontraproduktiv und führen über deutsche Insellösungen am Ende zu mehr CO2-Belastung. Europäische und supranationale Lösungen sind gefragt.

Der Luftverkehr bietet viele Vorteile

Bislang fehlte dazu aber das klare politische Bekenntnis. Mediendruck und öffentliche Meinung verhindern zuweilen einen kühlen Kopf. Und so bleibt der Luftverkehr weiter im medialen Kreuzfeuer.

Zu Unrecht, wenn man sich eingehend informiert. Mit Fakten, die im Internet jederzeit abgerufen werden können. Wenn man denn den ökolo­gischen Fußabdruck seines Smartphones oder Tablets verantworten möchte.

Immerhin gehen rund vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf den Gebrauch digitaler Technologien zurück. Auf dem Sofa netflixen, anstatt zu reisen und die Welt zu sehen? Das passt nicht zusammen. Zumal das Fliegen Wohlstand und Wirtschaft im Vergleich zum Streaming viel kräftiger ankurbelt.

Und noch ein Vergleich: Nur ein einziges großes Kohlekraftwerk emittiert genauso viel CO2 wie die gesamten 295 Flugzeuge der Lufthansa-Flotte. Dr. Raoul Hille, Geschäftsführer des Hannover Airport, hat dieser Debatte öffentlich konstruktive Lösungsansätze aufgezeigt. Warum er den Schritt bis ins Fernsehen gegangen ist und was er damit bewirkt hat, lesen Sie im Interview auf Seite 24.

Das grüne Ganze

Nur wer den Blick auf das Ganze wirft, kann am Ende zu sinnvollen Ergebnissen beitragen. Eine Attraktivierung der Bahn und Sicherung der Intermodalität kann den CO2-Ausstoß mindern. Pilotprojekte zur Herstellung von Power-to-Liquid müssen ener-gisch vorangetrieben werden.

Nur wettbewerbsneutrale Lö­sungen verhindern nämlich, dass Verkehre ins Ausland verlagert, Arbeitsplätze vernichtet und öko­logische Ziele verfehlt werden. Grün und Fliegen – das geht mit Sicherheit.

Interview mit Dr. Raoul Hille

Herr Dr. Hille, diesen Sommer war von Ihnen der Satz zu hören: „Wenn ich Flugscham höre, kriege ich Blutdruck.“ Damit haben Sie es in die bundesweite Presse geschafft. Was hat Sie so auf die Palme gebracht, dass Sie sich als erster deutscher Flughafen-Geschäftsführer in die öffentliche Debatte um teurere Flugtickets ein­geschaltet haben?

Keiner muss das Fliegen mögen und man kann alles diskutieren, aber bitte im Lichte objektiver Fakten. Der Flugverkehr stand oft als angeblicher „Klimakiller Nummer eins“ am Pranger. Da fehlten mir Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit. In Deutschland gehen 0,3 Prozent des CO2-Ausstoßes auf Inlandsflüge zurück. Weltweit macht der Luftverkehr zwischen zwei und drei Prozent der Emissionen aus. Den Flugverkehr zum Generalschuldigen zu erklären,ist nicht zielführend.

(© Hannover Airport/Marek Kruszewski)

Liegt die Klimabewegung also falsch?

Zumindest gehen ihre Forderungen oft am eigentlichen Problem vorbei. Zum Beispiel die Einführung einer nationalen Kerosinsteuer. Die bietet nur Schlupflöcher für neue Klimasünden. Die Flugzeuge werden dann im Ausland betankt und fliegen mit vollen Tanks zu uns. Noch mehr Gewicht in der Luft, noch mehr Kerosinverbrauch.

Ich habe im Nachgang sehr p­ositive Rückmeldung bekommen. Mich haben so viele Leute angesprochen. Das waren ein paar Minuten, aber es hat sich viel bewegt. Selbst Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Co. sind jetzt verbal griffiger unterwegs.

Wie hat sich die öffentliche Debatte nach Ihrem Fernsehauftritt verändert?

Das Timing war gut, der BDL hat nachgelegt. Die Branche rückt zusammen. Wir haben gemeinsam einiges auf den Weg gebracht.

Wie können wir als Flughafen uns in der Debatte zukünftig platzieren?

Wir wollen den Boden der Tat­sachen nicht verlassen. Nicht andere Branchen bashen, sondern alles ins Verhältnis setzen und die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Solange die Kohlekraftwerke brummen, spielt es überhaupt keine Rolle, ob wir fliegen oder nicht. Aber wir verstecken uns nicht hinter den anderen. Unsere Branche geht schon mit gutem Beispiel voran.

Wo steht der Luftver­kehr aktuell?

Flughäfen und Fluggesellschaften sind aktiv am Thema dran. Fluggeräte werden immer sparsamer und effizienter. Die TUI fly zeigt, was heute schon Realität ist: 3,5 Liter pro Passagier auf 100 Kilometer – das ist selbst im Vergleich zu einem Kleinwagen ein vorbild­licher Verbrauch. Als einziger Verkehrsträger nimmt der Luftverkehr bereits seit Jahren am Emissionshandel teil. Globale Klima­projekte werden so gefördert. Der technische Fortschritt in der Luftfahrtindustrie ist enorm. Und noch lange nicht am Ende: Das Projekt „Power-to-Liquid“ kann CO2-neutrales Fliegen schon in einigen Jahren zur Realität werden lassen. Aus umweltfreundlichem Strom CO2-neutrales Kerosin produzieren – das liegt längst schon im Bereich des Möglichen. Direkt vor der Haustür. Niedersachsen und Schleswig-Holstein verfügen bereits über großflächige Windparkanlagen. Aber das alleine reicht nicht – auch Politik und Wissenschaft sind in der Pflicht.

Was muss die Politik leisten?

Rund eine Milliarde Euro der Ticketsteuer floss allein im vergangenen Jahr in den Bundeshaushalt. Hat dort Finanzlöcher gestopft und kam vielem zugute, nur nicht dem Klima. Hier lässt sich aber ansetzen. Was wir brauchen, ist der Blick auf das große Ganze. Bahnverbindungen müssen attraktiver werden – bei gleichzeitiger Sicherung der Intermodalität! Pilo­t­projekte zur Herstellung von Power-to-Liquid müssen energisch vorangetrieben werden. Ein einheitlicher europäischer Luftraum trägt ebenfalls dazu bei, unnötige Flugrouten zu vermeiden. Dazu braucht es aber eine europäische Lösung.

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