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Fluglotsen – Dirigenten des Himmels

Die Aussicht ist grandios. Aber wenn es windig ist, schwankt der Boden unter den Füßen. Wir befinden uns auf dem Tower – einem der abenteuerlichsten Arbeitsplätze des Flughafens. In 65 Metern Höhe machen die Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) hier einen unentbehrlichen Job. Nichts entgeht ihren Blicken.

Der Polizeihubschrauber nähert sich von Nordosten. Wer Ahnung vom Fach hat, kann ihn schon sehen. Für alle anderen bewegen sich bloß kleine Zahlen über ein Display. Fluglotsin Anja Korinth deutet aus dem Fenster: „Da vorne wird er gleich auftauchen.“ Und tatsächlich: Sekunden später ist er am Horizont zu sehen. Die Lotsen lassen den Helikopter nun nicht mehr aus den Augen. So lange, bis er die Parkposition erreicht hat.

Alles auf dem Schirm

Die Fluglotsen sind für die Sicherheit im Luftverkehr mitverantwortlich. Dafür überwachen sie alle Fluggeräte und -objekte, die sich am Flughafen oder in dessen Nähe befinden. Lückenlos. Sie erteilen Start- und Landefreigaben und sorgen dafür, dass der Luftverkehr auf dem Flugplatz und dem umliegenden Luftraum reibungslos abläuft. Und sie kümmern sich um Sichtflieger – wie Sportflugzeuge oder Helikopter.

Unser größtes Arbeitsgerät ist das Fenster erklärt Lotse Matthias Stöwer. Immer wieder nehmen die Lotsen ein Fernglas zur Hand. Damit haben sie alles im Blick, von der Linienmaschine bis zum Heißluftballon. So können sie jeden Winkel des Flughafengeländes einsehen: Der Tower steht genau in der geografischen Mitte des Areals.

Vier-Augen-Prinzip

Insgesamt arbeiten am Hannover Airport etwa zwanzig Lotsen im Schichtdienst. Jeweils zwei müssen gleichzeitig oben in der gläsernen Kanzel aktiv sein. Der Rolllotse begleitet den Flieger vom Anlassen der Triebwerke bis vor die Startbahn. Dann übernimmt der Platzlotse: Er beaufsichtigt die Start- und Landebahnen und den Flugverkehr innerhalb der Kontrollzone rund um den Flughafen.

Scharfes Auge trifft flexiblen Geist

Das Ambiente im Tower: eher trocken. Überall Mikrofone, Monitore und flimmernde Zahlen. Alles folgt strengen Abläufen. Trotzdem müssen die Lotsen auf jede Situation sofort reagieren. „Man muss genau hingucken und schnell sein“, verrät Anja Korinth. Jede Wetterveränderung, jeder medizinische Notfall an Bord kann die Reihenfolge der Landeanflüge durcheinanderbringen.

Die Verantwortung ist groß, doch es herrscht angenehme Gelassenheit: Die Lotsen sind Profis. Von Hektik oder Anspannung keine Spur. Dafür aber höchste Konzentration. Wie schafft man das? „Die Leute sind Meister darin, kurz abzuschalten, wenn Zeit dafür ist, und dann im richtigen Moment wieder sofort da zu sein“, erklärt Matthias Stöwer.

Die Akkus müssen immer voll sein. Gute Teamarbeit ist dafür entscheidend. „Wenn jemand Pause macht, übernimmt ein anderer. Ich kann ja dem Piloten nicht sagen: ‚Fliegen Sie mal rechts ran, ich muss auf Toilette“, lacht Stöwer.

Die Abwechslung macht’s

Der Hannover Airport ist bei den Lotsen beliebt. Vor allem für seinen abwechslungsreichen Verkehr. Hier müssen sie Maschinen mit ganz unterschiedlichen Leistungsdaten koordinieren. In Frankfurt sieht das anders aus. Dort sind die Flüge eng getaktet, es heben vor allem große Maschinen ähnlichen Typs ab. Hannover hat zwar weniger Flugbewegungen als Frankfurt, diese kommen jedoch oft gebündelt. Das macht die Arbeit hier besonders spannend freut sich Anja Korinth. Wenn zum Beispiel ein Polizeihubschrauber zum Einsatz startet, müsse er ganz schnell eingebaut werden. Und durch die vielen Sportflieger gibt es einen hohen Sichtfluganteil.

Lernkurve im Aufwärtstrend

Bis man als Fluglotse arbeiten darf, ist es ein langer Weg. Die Grundausbildung findet in der Zentrale der DFS in Langen statt. Für Towerlotsen dauert sie 15 Monate, für Centerlotsen sogar 18. Es folgt eine etwa zwölfmonatige Ausbildung im Tower. Aber damit hört das Lernen nicht auf. Routine gibt es auf dem Tower nicht: Kein Start ist wie der andere, jede Landung läuft unter ganz eigenen Bedingungen ab. Regelmäßige Fortbildungen und Schulungen sind Pflicht. Dazu gehört auch eine jährliche Gesundheitsüberprüfung beim Fliegerarzt.

Freie Sicht, freier Kopf

Das Beste am Job ist die Abwechslung, finden die Lotsen. Bloß der Schichtdienst liege nicht jedem, sagt Matthias Stöwer. Der Tower muss rund um die Uhr besetzt sein. An jedem Tag im Jahr. Er selbst wollte eigentlich Pilot werden, schaffte den Aufnahmetest nicht – und landete stattdessen nebenan beim Aufnahmetest der Fluglotsen. „Völlig geniale Entscheidung, das war genau das Richtige“, resümiert er.

Und selbst nach Feierabend hat der Lotsenberuf seiner Meinung nach einen entscheidenden Vorteil: Der Kopf ist frei. Man kann ja zu Hause nichts nacharbeiten oder über liegengebliebene Aktenstapel grübeln.

Und dann ist da noch etwas, das den Lotsen die Arbeit versüßt. Als eine rote Beech 18, Baujahr 1947, auf der Nordbahn landet, drängen sie alle mit ihren Ferngläsern zur Scheibe. Sie lieben eben nicht nur ihren Job, sondern auch schöne Flugzeuge. Die Towerlotsen kontrollieren den Bereich rund um den Flughafen („Kontrollzone“). Sie begleiten den Piloten, bis seine Maschine nach dem Start die Kontrollzone verlässt.

Dann übernehmen die Centerlotsen. Sie sitzen in insgesamt vier Kontrollzentralen („Center“) in Bremen, Langen, Karlsruhe und München. Von dort überwachen sie den gesamten Luftraum über Deutschland per Radar. Zweierteams betreuen jeweils einen abgesteckten Sektor des Luftraums: ein Koordinations- und ein Radarlotse. Wenn ein Pilot den Sektor verlässt, für den sie zuständig sind, übergeben sie an das Lotsenteam des nächsten Luftraum-Sektors.

Wie das abläuft, erklärt Matthias Stöwer: „Man kann sich den Luftraum vorstellen wie ein Containerschiff, auf dem viele Container gestapelt sind. So ähnlich funktioniert die Segmentierung des Luftraumes: Verschiedene Sektoren liegen neben- und übereinander, für jeden Sektoren sind zwei Fluglotsen zuständig.“

Kontrollzone

Die Kontrollzone bezeichnet einen ungefähr rechteckigen Raum rund um den Flughafen. Er erstreckt sich über 40 Kilometer von Ost nach West und 20 Kilometer von Nord nach Süd bei einer Höhe von knapp einem Kilometer. Alles, was in diesem Bereich höher als 50 Meter fliegt, muss dem Kontrolllotsen bekannt sein. Selbst wer in Flughafennähe größere Mengen Luftballone steigen lassen möchte, braucht eine Genehmigung von der DFS.

Sichtflieger

Kleine Flugzeuge und Luftsportgeräte kommen bei der Navigation ohne Instrumente aus. Sie fliegen auf Sicht. Die Piloten orientieren sich also nur an der äußeren Umgebung. Von Wolken müssen sie Abstand halten.

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