Wiener Melange & Tortentraum
Hereinspaziert ins Paradies
Über 2.000 Kaffeehäuser verlocken zu einer süßen Pause. Mehr als 100 davon sind dem traditionellen Kaffeehausstil verpflichtet. Hier nimmt man Platz auf dem Thonetstuhl am Marmortisch. Kronleuchter und Wandlampen geben gerade ausreichend Licht für ein Studium der Tageszeitung. Das dünne Papier ist sicher gehalten in einer typischen Klemmschiene. Kultivierte Gemütlichkeit, die einige hundert Jahre überdauert hat. Doch die Stadt ist mit der Zeit gegangen. Im heutigen Wien ist auch der moderne „Kaffeegeist“ längst angekommen. Innovative Lokale ergänzen Traditionshäuser mit neuen Kreationen. Ein perfekter Mix.
Sachertorte macht selig
Ganz in der Nähe befindet sich das gleichnamige Café. Auch hier Marmortischchen und Wandlampen in dunkelrotem Samtambiente. Ein Kamin darf nicht fehlen. Jetzt das ersehnte Stück Sachertorte mit Schlagobers. Eine Wiener Melange dazu. Die Pause wird zum Glücksmoment.
Gestärkt geht es über die Kärntnerstraße Richtung Stephansplatz. Ein beliebter Treffpunkt. Mit seinen fast 140 Meter erhebt sich der Stephansdom über die Altstadt. „Steffl“ nennen die Wiener liebevoll eines ihrer bedeutendsten Bauwerke.
Kaffeekultur ist hier Weltkulturerbe
Seit 2011 ist die „Wiener Kaffeehauskultur“ im nationalen UNESCO-Verzeichnis aufgenommen. „Die Kaffeehäuser sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht“. So die Begründung seitens des UNESCO-Komitee Österreichs. Stolz ist zu lesen auf diese feine Gepflogenheit. Im 17. Jahrhundert bereits eröffneten die ersten Kaffeehäuser ihre Türen. Rasch entwickelten sie sich zum „zweiten Zuhause“. Insbesondere für die Herren. Stammgäste aus „Gesellschaft“, Literatur und Kunst empfingen hier ihre Gäste. Nicht wenige ließen sich sogar die Post in „ihr“ Kaffeehaus schicken.
Dreiundzwanzig Mal Hauptstadt
Wien besteht aus 23 Bezirken. Die Postleitzahlen verraten den Standort. 1010 steht für die Innere Stadt. Der 1.Bezirk.1020 für die Leopoldstadt (Bezirk 2). 1090, Bezirk Nummer 9, ist der Alsergrund. Hier befindet sich auch das Hotel Regina aus dem Reiseweltangebot des Hannover Airport. Ehemals ein herrschaftliches Palais. Gründerzeitvillen, Studentenkneipen, Kunst und junge Kultur. Dieser Bezirk ist vielfältig. Sigmund Freud lebte hier. Sein Wohnhaus heute ein Museum. Das Café Français zählt zu den besten seiner Zunft. Es ist längst mit Ausstattung und Angebot im neuen Jahrtausend angekommen. Als fortschrittlich galt es bereits im 19. Jahrhundert. Denn hier wurde das erste Damenkaffeehaus eröffnet. „Skandalös!“ für Wiens Herrenwelt.
Uniform mit „Gold“ bestickt
Um den 1. Bezirk zu erkunden, bietet sich ein Spaziergang an. Startpunkt: die Hofburg. Hier residierten einst Sisi und ihr Franz. Deren Gemächer und das Sisi-Museum erzählen vom kaiserlichen Leben. Aristokratischer Glanz mit höfischer Strenge bestimmten damals den Alltag. Am Burggarten entlang geht es über den Albertinaplatz in die Philharmonikerstraße. Das legendäre Hotel Sacher präsentiert seine Eleganz. Portiers in Livrees mit Goldstickerei heben den Zylinder zum Gruß. Das Portal ist mit Fahnen beflaggt.
Lebensfreude mit Vollpension
Frau Hermine und Herr Manfred strahlen in die Kamera. Sie gehören zu den über 40 „Backomas“ und „Backopas“ der „Vollpension“. Es trifft Expertenwissen auf Lernwillige. „Gemeinsam statt einsam“ sowie „Dein Back-Cash hält die Oma fesch“ sind gelebte Leitmotive. Isolation und Altersarmut haben keine Chance. Neben einer Backakademie werden Generationen-Cafés im 1. und 4. Bezirk betrieben. Mit großem Erfolg! Über Wiens Stadtgrenzen hinaus ist das Unternehmen bekannt. Die Presse ist längst aufmerksam geworden. Menschlichkeit, Würde, wirtschaftlicher Erfolg. Eine großartige Kombination!
www.vollpension.wien
Wiener Kaffee-spezialitäten
Verkehrter Kaffee
Weniger Kaffee & viel Milch
Kosakenkaffee
Mokka, Rotwein, Wodka,
flüssiger Zucker
Maria Theresia
Mokka, Orangenlikör, Sahne
Wiener Melange
1/2 Kaffee & 1/2 Milch
Mazgran
Kaffee, Eiswürfel, Zitronensaft,
Zucker, Maraschinokirsche
Kleines Schalerl Gold
Mokka, heiße Milch,
Milchschaumhaube in
einer kleinen Schale serviert
Fiaker
Mokka & heißer Rum
Gudrun Krinzinger
Mein Kaffeehaustipp für Wien
Ich beobachte die lange Schlange an Touristen vor einem berühmten Kaffeehaus und denke mir, selber schuld, warum habt ihr nicht reserviert? Den Kopf schüttelnd über so viel Unkenntnis laufe ich entlang der Herrengasse weiter, lasse den Michaelerplatz samt Kuppel rechts liegen und schlüpfe in die schmale Gasse zwischen Michaelerkirche und dem Trachtengeschäft Plankl.
Ich lande in der Habsburgergasse, nur noch wenige Meter trennen mich von der Stallburggasse, wo sich nach wenigen Schritten linker Hand das Paradies auftut, verborgen hinter einer Glastür. Nach dem Öffnen der Tür suche ich den Blick des Herrn Ober, der mir mit einem Kopfnicken zu verstehen gibt, dass mein Tisch frei ist. Im Vorrübergehen schnappe ich mir eine Tageszeitung, die, wie es sich gehört in einen Zeitungshalter eingespannt ist. Kaum nehme ich Platz, steht der Ober vor mir und fragt: „Wie immer?“. Ich nicke und lasse den Blick schweifen über die Einrichtung, die sich seit Jahrzehnten nicht geändert hat. Die Kaffeemaschine rattert, der Milchschäumer pfaucht, ich bin zuhause und doch nicht daheim: im Café Bräunerhof.
Café Bräunerhof
Stallburggasse 2
1010 Wien